Der schwarze Hund lauert

von HKWs Pinnwand

Der Herbst kommt. Der schwarze Hund fletscht bereits die Zähne.

Als meine britische Journalistinnenkollegin Sally Brampton sich im Mai 2016 das Leben nahm, schien die Sonne in Großbritannien. Sally sah jedoch nur Dunkelheit. Nach Jahren des Kampfes gegen ihre Depression, nach Therapieerfolgen und ständig wiederkehrenden Rückschlägen gab sie auf. Sie war am Ende, der schwarze Hund, den sie niedergerungen zu haben dachte, hatte gesiegt. Den Fight gegen die Krankheit hatte sie Jahre vor ihrem Tod in ihrem Buch Shoot the Damn Dog: A Memoir of Depression beschrieben.
Die einen nennen es einen schwarzen Hund, andere Betroffene beschreiben die unsichtbare Macht als Monster, das ihr Denken und Fühlen beherrscht, das die Psyche niederdrückt, den Menschen unruhig oder antriebslos, traurig oder wütend macht, und all das in nicht vorhersehbarem Wechsel. Depressionen kosten körperliche Kraft, sie zermürben und können zu so grenzenloser Verzweiflung führen, die nur den Ausweg zulässt, das eigene Leben zu beenden.
Noch zeigt sich der Spätsommer von seiner freundlichen Seite. Aber niemand weiß, was im Herbst und Winter auf uns zukommen, wie sich die Pandemie weiter entwickeln wird. Die dunkle Jahreszeit stellt für die Psyche ohnehin eine Herausforderung dar. Wer an Depression erkrankt ist, entwickelt dagegen Angst vor den kommenden Monaten, vor den Berichten über neue Virusvarianten, vor erneuten Kontaktbeschränkungen oder vor womöglich auch in diesem Jahr einsamen Feiertagen.
Sicher, Depressionen gab es auch vor der Coronazeit. Und natürlich versteckt sich nicht hinter jeder traurigen Stimmung eine klinische Depression, wie sie Sally erlitt. Doch wie sich die Welt an einer Depression Erkrankter unter dem Eindruck aktuell wieder deutlich zunehmender düsterer Prognosen darstellt, darin können sich psychisch Gesunde wohl kaum einfühlen.
Kritiker mögen nun einwenden, klinische Depressionen sind nicht wetterabhängig. Das mag stimmen. Abhängig sind wir Betroffenen jedoch von der Flut negativer Nachrichten. Seit Beginn der Coronazeit ist offenkundig die Lust selbst einst seriöser Medien an reißerischen, weil auflagensteigernden Headlines und niederschmetternden Inhalten in schier unerträglichem Maß gestiegen. Positives, gar Mutmachendes sucht man vergebens.
Bad news sells.

https://www.deutschlandfunk.de/psychisch-krank-warum-eine-depression-nichts-mit-schlechter.2897.de.html?dram:article_id=497855

 

Last modified: 4. September 2021

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