Marlene ruht in Frieden(au)

von Allgemein

Ein gutbürgerlicher, etwas verschlafener Kiez in Berlin. Ein kleiner Friedhof. Und das Grab eines Weltstars.

Ulli kennt sich aus. Meine Freundin ist der Berliner Veranstaltungskalender auf zwei Beinen. Das aktuelle Kinoprogramm? Kleinkunstbühnen, Varietés, Musiklokale? Kein Problem, einfach Ulli fragen. Sie weiß, wo was los ist und ob man mit dem Bus, der U- oder S-Bahn hinkommt.
Kürzlich nahmen sie und ihr Partner uns mit ins „Kleine Theater“. Der Name ist Programm; gerade mal 99 Plätze bietet dieses ehemalige Kino in Friedenau, einem Ortsteil des Bezirks Tempelhof-Schöneberg. Ganz Insiderin führte uns Ulli aber natürlich nicht direkt vom U-Bahnhof zum Theater, sondern gestaltete den Fußweg zur Minibesichtigungstour samt unerwartetem Highlight. Nach wenigen Hundert Metern bogen wir in eine Seitenstraße ab und standen vor dem Eingang zum III. Städtischen Friedhof Stubenrauchstraße. Die wenigen Grabreihen samt kleiner Kapelle mitten im ruhigen Friedenau waren rasch durchschritten. Gezielt steuerte Ulli eine unscheinbare, leidlich gepflegte Grabstätte an: „Hier steh ich an den Marken meiner Tage“ und „Marlene 1901-1992“ lautet die Inschrift des Grabsteins.
Marlene Dietrich in Friedenau? Der III. Städtische Friedhof wird auch „Künstlerfriedhof“ genannt. Zwei Grabstellen weiter liegt etwa Helmut Newton. Die Diva hatte sich aber offenbar aus einem völlig banalen Grund ihre letzte Ruhestätte in diesem Teil der Hauptstadt ausgesucht. Geboren wurde der Weltstar in Schöneberg, das damals noch eigenständig war und erst später in Berlin eingemeindet wurde. Sie wuchs nur ein paar Straßenzüge weiter in einem großbürgerlichen Haus auf. Auch Stars scheint es also nach Hause zu ziehen, sobald sie von der Lebensbühne abtreten. Anstatt Paris wählte sie Friedenau für ihr Leben auf der anderen Seite.
Nach diesem Abstecher in die verblasste Glamourwelt von gestern gönnten wir uns noch ein Glas Grüner Veltliner, gebratenen Leberkäse mit Spiegelei und Bratkartoffeln im Alpenland-Lokal „Miteinander“, bevor wir kurz vor Beginn gegenüber ins Theater zu huschten. Danke, Ulli, für diese Eindrücke abseits der Szenekieze in Mitte, Neukölln oder Prenzlauer Berg.

Last modified: 22. Mai 2018

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