Sturm

von HKWs Pinnwand

Ruhe bewahren und warten, bis sich das Unwetter beruhigt hat. Mehr geht zurzeit nicht.

Dieses Lebenszeichen muss nun endlich sein, ich bin es den Lesern meines Blogs längst schuldig. Warum habe ich seit Wochen nichts veröffentlicht? Weil ich nicht konnte. Weil ich nicht wusste, was ich schreiben soll. Seit mehr als drei Jahrzehnten veröffentliche ich Artikel, Reportagen, Fachtexte, Geschichten – und nicht zuletzt damit auch meine persönliche Meinung. Ich kritisiere und schwärme, beschreibe oder erkläre, stelle Fragen und suche Antworten. Daran hat sich nichts geändert, wie denn auch: Ich bin und bleibe Autorin, ich war und bin eine, die schreibt.
Die vergangenen Wochen haben mich keineswegs sprachlos werden lassen. Aber den heftig tobenden Gedankensturm in meinem Kopf wollte ich niemandem zumuten. Ich fand es sinnlos, all den Kommentaren und Berichten sämtlicher Medienkanäle meine emotionsgeladenen Gedanken hinzuzufügen zum Völkermord in der Ukraine, zu dem Leid der Geflüchteten, zur Inflationsrate, die wie eine Rakete steigt oder zur Pandemie, immer wieder und immer noch zur Pandemie.
„HKW schreibt Realistisches, Fiktives und Verrücktes“, so ist auf meiner Homepage zu lesen. Mit diesem Motto startete ich Mein blauer Lippenstift, und grundsätzlich stimmt das nach wir vor. Schriebe ich Statements zu den genannten Themen, hieße das, meine widersprüchlichen, abwechselnd von Wut, Bestürzung, Trauer, Hilflosigkeit oder Angst befeuerten Gedanken selbst zu lesen, vor allem jedoch würde ich die Blogbesucher damit belasten. Ich musste erkennen, Gedanken aufzuschreiben ist nur so lange hilfreich, wie es den Kopf leert und den Gedankenfluss beruhigt, wenn es Erkenntnisse offenlegt, um Sinn von Unsinn trennen zu können. In den Wochen nach der russischen Invasion ging dieses für mich bis dahin so wichtige Regulativ verloren. Ich konnte nicht mehr schreiben. Stattdessen las ich Bücher und schaute Unmengen von Serien, die mich von der Realität ablenkten. Auch Fiktives oder Verrücktes zu ersinnen scheint bis heute kaum möglich. Selbst die Monday Morning Cupcakes stelle ich infrage. Wem bringen sie Freude? Wen interessieren in diesen Tagen nette Tanzfilmchen oder Dekotipps?
Darüber werde ich weiter nachdenken. Mein blauer Lippenstift ist und bleibt ein Teil von mir, von Heide Kuhn-Winkler, von einer Frau, die schreibt.
Noch wütet der Sturm in meinen Gedanken unvermindert weiter. Doch er wird sich legen. Irgendwann.

Last modified: 6. April 2022

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