Immer schön den Überblick behalten

von Selbstmarketing / Selbst-PR

Ist alles im Lot? Oder sollte ich etwas ändern in meinem Leben, dem Job, der Beziehung? Bevor man den Termin beim professionellen Berater bucht: Selbstcoaching hilft bei der Bestandsaufnahme.

Versuchen Sie, sich selbst mit einer liebevollen Distanz zu beobachten und sich einmal so kennenzulernen, wie Sie einen anderen Menschen kennenlernen würden – offen und neugierig, so der Rat der Experten. Die Techniken dazu kann man in Coaching-Seminaren und bei Selbst-Coaching-Workshops erlernen.
Diesen Rat gebe ich den Leserinnen meines Buchs Live your Business. Tatsächlich ist es bisweilen sinnvoll, die einzelnen Bereiche des Lebens – Partnerschaft, Familie, Job, Freizeitverhalten, Gesellschaftsleben etc. – aus der Perspektive eines anderen Menschen zu beobachten. Was nicht heißen soll, man muss sich ständiger Selbstkritik aussetzen, jede noch so kleine Entscheidung wieder und wieder hinterfragen. Hat sich allerdings Unzufriedenheit eingeschlichen oder man steht vor einer wichtigen Entscheidung, hilft eine Bestandsaufnahme zu erkennen, welche Richtung man einschlagen sollte.

Oft stand ich vor Entscheidungen, die ich auf die lange Bank schob und mich ärgerte, wenn ich feststellen musste, dass meine Chance vertan ist, weil ich zu lange gezögert hatte. Mein Kopf und mein Bauch wollten partout nicht zu einer Einigung gelangen. Ich befragte beide, was zu zunehmender Verunsicherung und mich letztlich zu keiner oder zumindest nicht zu einer befriedigenden Lösung führte. Nachdem ich wiederholt ein Jobangebot ausgeschlagen hatte, weil mein Bauch sagte, ich schaffe das, mein Kopf jedoch sämtliche Argumente aufzählte, weshalb ich auf jeden Fall ungeeignet sei und krachend scheitern würde, suchte ich mir Hilfe. Ich buchte mein erstes Coaching bei einer Karriereberaterin, die mir „den Kopf zurechtrückte“. Will sagen, sie analysierte meine Situation, schaute sich den Level meines Selbstwertgefühls an und brachte mich auf den Weg. Was sich im Rückblick so easy anhört, war ein hartes Stück Arbeit. Überzeugungsarbeit auf ihrer, Lernarbeit auf meiner Seite. Der nächste Job jedenfalls ging mir nicht durch die Lappen.

In den vergangenen Jahren nahm ich mehrfach professionelle Unterstützung in Anspruch, im persönlichen Gespräch und per Online-Coaching. Außerdem begleitet mich schon lange ein Buch, das mir immer dann weiterhilft, wenn ich das Gefühl habe, auf der Stelle zu treten, wenn ich kurzfristig meine Lage überprüfen möchte. Im Jahr 2000 veröffentlichte Talane Miedaner mit dem Ratgeber Coach dich selbst, sonst coacht doch keiner! (mvg Verlag) einen Longseller zur Selbsthilfe. Dieses Buch nimmt man zwar kaum zur Hand, wenn man in einer akuten Lebenskrise steckt und sich mit existenziellen Fragen beschäftigt, für die der Termin beim Berater vor Ort die Ultima Ratio ist. Die Sammlung von 101 Tipps bietet vielmehr die Möglichkeit Ansätze zu finden, die meinen akuten Gedankenstau auflösen und mich in die Lage versetzen, ein paar gedankliche Stellschrauben festzuziehen. Es ist eine Instant-Bestandsaufnahme, die zum Nachdenken anregt. Gewöhnlich schreibe ich meine Erkenntnisse sowie die daraus resultierenden Schritte auf, lasse sie eine Nacht ruhen und setze mich am nächsten Tag mit wachen Sinnen noch einmal mit der Bilanz des Vortages auseinander bzw. prüfe, ob und wie sich die zusammengetragenen Ideen zu sinnvollen Aktionen umsetzen lassen.

Die Buchseiten mit Tipp Nummer 39 beispielsweise sind schon aus dem Leim gegangen, weil ich sie scheinbar fast „zerlesen“ habe. „Wenn es sinnvoll ist, zögern Sie“, schreibt dort Talane Miedaner. Im Verlauf des Kapitels vertieft sie das Thema, beleuchtet das Problem des Zögerns aus unterschiedlichen Blickwinkeln.
Da ich momentan wieder einmal vor einer Entscheidung stehe, über die sich Bauch und Kopf zanken und keiner auch nur daran denkt einzulenken, müssen Talanes Thesen auf den zerfledderten Seiten erneut herhalten:

  1. Sie zögern, weil Ihnen die Aufgabe keinen Spaß macht. Also schieben Sie die Angelegenheit auf die lange Bank.
  2. Sie zögern, weil Sie nicht wissen, wie Sie die Aufgabe bewältigen sollen.
  3. Sie zögern aus Zeitmangel.
  4. Sie zögern, weil Sie das, was Sie meinen tun zu wollen, nicht wirklich tun wollen.
  5. Sie zögern, weil Ihnen die Motivation fehlt.
  6. Sie zögern, weil Sie die Angelegenheit noch einmal überdenken wollen.

Ihr anschließender Rat, meinem Grund/meinen Gründen auf die Spur zu kommen, scheint für mich als Schreiberin wie gemacht: „Es gibt also gute Gründe, um auch einmal zu zögern. Erstellen Sie eine Liste all der Aufgaben, die Sie auf die lange Bank schieben, und überlegen Sie sich zunächst genau, warum Sie zögern.“

Hilfe in Anspruch zu nehmen lernte ich im Laufe der Zeit. Niemand sollte seine Probleme ausschließlich mit sich selbst ausmachen müssen. Das heißt keineswegs, die Telefonnummer des Coaches auf Kurzwahl zu legen. Was ich nämlich ebenso lernte: Hilfe „from the books“ anzunehmen, wie es die Amerikaner ausdrücken. Da ich ein Mensch bin, der gerne den Überblick über sein Leben behält, schreibe ich Listen, stelle Pro und Contra gegenüber, versuche meine Entscheidungen logisch zu begründen (was mein Bauch nicht gerne hören wird). Aber: Ich stelle nicht automatisch die richtigen Fragen. Was bedeutet, meine Listen, die Pros und Contras führen mich gelegentlich in die Irre. Den Blickwinkel von außen einzunehmen gelingt, wenn ich meine redundanten Fragen und das Gedankenkarussell stoppe und stattdessen zu einem der Ratgeber greife, die mir aus so mancher Gedankensackgasse halfen.
Ich werde mir jetzt einen Kaffee kochen, mich mit Block und Bleistift hinsetzen und mit Talanes Hilfe meinem Zögern auf die Spur kommen. Wobei mir natürlich klar ist, dass die Erkenntnis nur der erste Schritt zur Lösung des Problems sein wird. Jede Erkenntnis ist nur so gut wie die Tat, die ihr folgt.

Meine aktuelle Schreibstimmung: Am Status quo festhalten bedeutet zurückzufallen.
Der Lippenstift: „Clementine“ von Artdeco      HKW_Website_ Icon Artikelende

Last modified: 20. Oktober 2017

    × schließen