Ist unser gewohntes Leben tatsächlich schon so lange her?
Bevor ich auch nur eine weitere Nachricht lese (Corona – AfD – Trump), die mich an der Menschheit und langsam auch an meinem Verstand zweifeln lässt, greife ich doch lieber zu einem bewährten Mittel, das mir zu einem positiven Stimmungsmodus verhilft. Ich spreche von Kosmetik, dem ach so oberflächlichen Thema Beauty. Zu dem ich mich bekenne, die entsprechende Kritik samt Stirnrunzeln halte ich locker aus. Schließlich war ich jahrzehntelang eine leidenschaftliche Beautyjournalistin. Das wirkt nach. Und es ist gut so, wie ich während dieser Wochen der nie still stehenden Achterbahnfahrt erkenne.
Nostalgie mit Flakon und Schminkkasten könnte man meine Aktion von gestern Nachmittag nennen. Da es weiterhin in den Sternen steht, wann wir wieder ohne Beschränkung aus privaten Gründen reisen dürfen, kramte ich einige Produkte hervor und platzierte sie im Schlafzimmer auf der Kommode. Was diese Produkte eint, ist ihre Herkunft. Sie stammen von Reisen, die aus heutiger Sicht Lichtjahre her sein müssen. Der Lippenstift von Estée Lauder aus dem Airport Shop in Texas. Eines meiner Lieblingsparfums von Yves Saint Laurent aus Paris. Der Lipliner von Victoria’s Secret aus dem Store in der 5th Avenue. Das Pinselset aus dem Laden für Make-up Artists in Covent Garden. Allesamt nur kleine Andenken und dennoch plötzlich so bedeutend.
Die nostalgischen Gefühle stille ich jedoch nicht nur beim Blick auf die Schlafzimmerkommode, sondern auch während ich diese Zeilen schreibe. An der Wand neben mir hängt eine Zeichnung, die ich im letzten Herbst in einer der vielen Galerien in Santa Fe kaufte. Die stolz blickende, ausgesprochen ästhetisch anmutende Indianerin scheint mich beim Arbeiten zu beobachten. Sie fragt sich vermutlich, wann ich endlich wieder in ihre Heimat reisen darf. Das frage ich mich auch oft. Die Antwort steht, wie gesagt, in den Sternen.
https://www.spektrum.de/news/nostalgie-sehnsucht-nach-gestern/1662036
Last modified: 29. September 2020
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